KI-Use-Cases richtig denken
Von der Feature-Falle zum Agenten-Workflow
Unternehmen stehen heute vor einer entscheidenden Frage: Wie lassen sich KI-Use-Cases so gestalten, dass sie nicht nur einzelne Aufgaben automatisieren, sondern echten, messbaren Mehrwert erzeugen? Die Antwort liegt in intelligent verknüpften KI-Workflows, die Prozesse End-to-End unterstützen, statt nur isolierte Funktionen bereitzustellen. Wer KI gezielt in Abläufe integriert, verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil, der weit über den Einsatz von KI-Chatbots hinausgeht. Wir zeigen auf, warum viele Organisationen noch in der Feature-Falle stecken – und wie agentenbasierte Workflows den entscheidenden Schritt nach vorne machen.
„AI goes workflow“: Warum Chatbots nicht das Finale sind
Künstliche Intelligenz verspricht enorme Effizienzgewinne in Unternehmensprozessen. In der Praxis bedeutet „powered by AI“ jedoch häufig nicht mehr als ein Chatbot, der Routinefragen beantwortet. Selbst Plattformen, die mehrere spezialisierte Bots bereitstellen, folgen meist dem „Ein-Tool-pro-Job“-Prinzip: Jede Lösung übernimmt nur ihren eigenen Teil. Eine Vernetzung des Outputs oder gegenseitige intelligente Optimierung findet kaum statt. So erledigen Menschen weiterhin den Großteil der Arbeit – obwohl KI längst mehr leisten könnte und viele KI-Use-Cases ungenutzt bleiben.
Auch beim Einsatz der Custom Agents von Microsoft und OpenAI zeigt sich dieses Muster: erst Begeisterung, dann Ernüchterung. Zwar bieten Microsoft Copilot und ChatGPT mächtige Funktionen, doch ihr Nutzen hängt stark von den Anwenderinnen und Anwendern ab. Je nach KI-Kompetenz reicht die Arbeit mit Custom Agents von sehr effizient bis kaum wirksam. Für Führungskräfte bleiben spürbare Prozessverbesserungen oder messbare Kostenvorteile daher häufig aus.
Der zentrale Denkfehler: Unternehmen fokussieren sich zu sehr auf Features statt auf Abläufe – und verschenken damit das Potenzial wirkungsvoller KI-Use-Cases.
Der richtige Blickwinkel: Abläufe statt Features
Mit KI verändert sich die Art, wie wir Prozesse verstehen, grundlegend: Copilot, ChatGPT & Co. übernehmen operative Routinen, während Nutzerinnen und Nutzer Zusammenhänge erkennen, Entscheidungen treffen und Expertise einbringen. Mitarbeitende konzentrieren sich stärker auf die Optimierung des Systems – nicht auf dessen Bedienung.
Um einen echten Mehrwert mit KI zu erreichen, müssen Unternehmen konsequent in KI-Workflows denken. Dazu sollten Abteilungen und Fachbereiche beim Einsatz von KI diese Fragen klären:
- Ziele definieren: Welche Wirkung soll erzielt werden – beispielsweise Kosten senken, Fehler reduzieren oder Durchlaufzeiten verkürzen?
- Prozesse verstehen: Welche Aktivitäten, Rollen, Schnittstellen und Systeme gehören zum Prozess? Wo gibt es Schmerzpunkte oder wiederkehrende Aufgaben?
- Agentenpotenzial klären: Welche Herausforderungen lassen sich durch KI-Agenten lösen? Welche Schritte können verknüpft werden, um KI-Workflows zu ermöglichen?
- Prozesse neu denken: Ist der bestehende Prozess sinnvoll (Brownfield)? Oder lohnt ein radikaler Neuentwurf (Greenfield) als Netzwerk spezialisierter Agenten?
- Lösungsdesign entwickeln: Welche Bausteine – etwa LLMs, Datenquellen oder Integrationen – braucht mein KI-Workflow? Wie interagieren die Agenten miteinander?
- Human-in-the-Loop definieren: Wie verändern sich Rollen, Verantwortlichkeiten und Kapazitäten, wenn KI-Agenten die Arbeit übernehmen?
Die Beantwortung dieser Fragen schafft eine belastbare Grundlage für wirkungsvollen KI-Einsatz.
Zielgerichtet und strukturiert – Was einen guten KI-Workflow ausmacht
Ein KI-Workflow, in dem ein oder mehrere Agenten definierte Aufgaben übernehmen, ist Teil eines End-to-End-Prozesses – von der Datenbasis über die Aufgabensteuerung bis hin zur Entscheidung oder Ausführung.
Damit ein KI-Workflow wirklich Wirkung entfalten kann, muss er vier Kriterien erfüllen:
- Zielgerichtet: Der Workflow verfolgt einen klaren, messbaren Effekt – etwa Zeitersparnis, Qualitätssteigerung oder Kostensenkung.
- Strukturiert: Aufgaben, Rollen, Eingaben und Outputs sind eindeutig definiert.
- Automatisierbar: Die Schritte lassen sich regel- oder datenbasiert von Agenten übernehmen – vollständig oder im Zusammenspiel mit Menschen.
- Messbar: Qualität und Effekt des KI-Einsatzes sind über KPIs oder Prozesskennzahlen nachvollziehbar.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, stellt sich die Frage: Wie lassen sich solche KI-Workflows praktisch umsetzen? Ein wirksamer Startpunkt ist der Brownfield-Ansatz.
Brownfield: KI in bestehende Prozesse integrieren
Kurzfristig führt kein Weg am Brownfield-Ansatz vorbei: Bestehende Prozesse werden in technische Workflows übersetzt und durch KI effizienter gestaltet. Ein Beispiel ist der Einsatz von Jira: Jeder Geschäftsvorfall wird als Ticket abgebildet, standardisierte Abläufe können versioniert, skaliert und gemessen werden. KI-Agenten lassen sich event-getriggert einsetzen: Sie übernehmen definierte Aufgaben, unterstützen Menschen gezielt oder arbeiten eigenständig. So entsteht ein skalierbarer, nachvollziehbarer KI-Effekt.
Der Tender-Prozess zeigt da exemplarisch: Ein Agent durchsucht den Markt nach Ausschreibungen und legt sie als Tickets an. Weitere Schritte – vom Portfolio-Check bis zum Angebot – werden entlang des Workflows von Menschen und KI gemeinsam ausgeführt. So entsteht ein klarer, wiederholbarer und belastbarer KI-Use-Case.
Greenfield: Visionäre Agenten-Netzwerke
Während der Brownfield-Ansatz nah an bestehenden Prozessen bleibt, geht der Greenfield-Ansatz deutlich weiter: Agenten-Netzwerke setzen Ziele direkt um – Input rein, Output raus, ganz ohne klassische Prozessschleifen.
Ein IT-Service-Provider könnte Kundenanfragen per Sprachbefehl an einen Routing-Agenten übermitteln. Dieser koordiniert spezialisierte Agenten, die Angebote erstellen, verhandeln, Umsetzungen steuern und sogar Infrastruktur bereitstellen. Unternehmen werden dadurch flexibler und können schneller auf individuelle Anforderungen reagieren.
Doch diese Zukunft hat klare Grenzen: Leistungsfähige Agenten-Netzwerke dieser Art existieren noch nicht. Ob und wann LLMs dieses Niveau erreichen, ist unklar.Aber der Greenfield-Ansatz zeigt schon, wohin die Reise geht: Hin zu flexibleren, dynamischen Workflows, in denen KI-Agenten nicht nur unterstützen, sondern ganze Abläufe eigenständig gestalten.
Der Greenfield-Ansatz ist visionär – aber noch nicht Realität. Wer heute echten Mehrwert schaffen will, setzt auf den Brownfield-Ansatz: mit Lösungen, die funktionieren und gleichzeitig Raum für Weiterentwicklung lassen.
Wirkung entsteht nicht durch Tools, sondern durch durchdachte KI-Workflows, die KI gezielt in Abläufe integrieren und konkrete KI-Use-Cases entlang der gesamten Wertschöpfung realisieren.
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