Warum der digitale Produktpass für Hersteller zur Chance wird
Anders ausgedrückt: Wer den Produktpass im Mittelstand richtig nutzt, sichert sich klare Vorteile
Ab 2026 wird der digitale Produktpass für viele Produkte zur Pflicht. Für den Mittelstand bedeutet das Handlungsbedarf – aber auch große Chancen. Wer früh beginnt, profitiert von mehr Effizienz, besserer Nachhaltigkeitskommunikation und neuem Marktzugang.
Ein neuer Standard für Transparenz und Nachhaltigkeit
Mit dem digitalen Produktpass, kurz DPP, etabliert die EU ein Instrument, das tief in industrielle Prozesse eingreift. Das Ziel des Vorhabens besteht darin, die Informationen über Herkunft, Zusammensetzung, Energieverbrauch und Recyclingfähigkeit eines Produkts digital und durchgängig verfügbar zu machen. Was nach einem reinen Regulierungsvorhaben klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als potenzieller Wettbewerbsvorteil – insbesondere für mittelständische Fertigungsunternehmen.
Der DPP begleitet ein Produkt über dessen gesamten Lebenszyklus hinweg. Als dynamisches Datenobjekt wird er kontinuierlich gepflegt, erweitert und entlang der Lieferkette verfügbar gemacht. Über Technologien wie QR-Codes oder RFID können Informationen zu Materialien, Herstellung, Nutzung und Entsorgung jederzeit ausgelesen werden – von Produzenten, Servicetechnikern, Kunden oder Recyclern gleichermaßen.
Kurz erklärt: Das leistet der digitale Produktpass konkret
Der digitale Produktpass ist mehr als ein digitales Datenblatt. Er schafft die Grundlage für eine transparente, effiziente und zirkuläre Produktion. Im Mittelpunkt stehen sieben zentrale Datenkategorien:
- Produktidentifikation (UID, QR-Code)
- Materialzusammensetzung (Rohstoffe, Recyclinganteil)
- Herstellungsdaten (Energieverbrauch, CO₂-Fußabdruck)
- Informationen zur Lieferkette
- Wartungs- und Nutzungshinweise
- End-of-Life-Daten (Recyclingoptionen)
- Konformität und Zertifizierungen
Diese Daten ermöglichen nicht nur regulatorische Nachweise, sondern eröffnen neue digitale Geschäftsmodelle und Effizienzpotenziale – vorausgesetzt, sie werden systematisch erhoben und integriert.
Der Mittelstand in der Schlüsselrolle
Viele mittelständische Unternehmen agieren als Zulieferer für globale Wertschöpfungsketten. Sie sind es, die künftig belastbare Daten bereitstellen müssen, wenn OEMs, Kunden oder Partner auf den DPP setzen. Gleichzeitig bieten sich genau hier Chancen: Wer frühzeitig in passende Strukturen investiert, verschafft sich nicht nur Sicherheit, sondern Differenzierung am Markt.
Zunehmend fordern auch Kunden und Investoren belastbare Nachhaltigkeitsdaten. Der Digitale Produktpass ermöglicht es, CO₂-Bilanzen, Recyclingquoten oder Herkunftsnachweise transparent darzustellen – und stärkt damit Vertrauen und Markenpositionierung.
Praktische Anwendungsbeispiele des digitalen Produktpasses
Die Einsatzmöglichkeiten des DPP reichen vom einfachen Wartungshinweis bis hin zur Grundlage für neue Geschäftsmodelle.
Anwendungsfall: Ein Maschinenhersteller wird befähigt, über einen QR-Code direkt am Produkt Zugriff auf Serviceintervalle, Ersatzteilnummern und Demontagehinweise zu erhalten. Das vereinfacht die Wartung und reduziert Ausfallzeiten.
Anwendungsfall: Ein Hersteller von Elektrokomponenten kann durch hinterlegte Material- und Herkunftsdaten Recyclingprozesse effizienter gestalten. Bei der Rücknahme am Lebenszyklusende sind genaue Informationen über die verwendeten Stoffe verfügbar – das spart Kosten und unterstützt die Kreislaufwirtschaft.
Anwendungsfall: Auch für ESG-Reporting ist der digitale Produktpass ein wertvoller Baustein: Belastbare Nachhaltigkeitsdaten, wie der Product Carbon Footprint (PCF), können direkt aus dem Produktpass in Berichtssysteme überführt werden, ohne zusätzlichen Erfassungsaufwand.
Fünf Vorteile für mittelständische Unternehmen
Der digitale Produktpass bringt konkrete betriebliche Mehrwerte mit sich – über die reine Gesetzeskonformität hinaus:
- Transparenz: Rückverfolgbarkeit in der gesamten Lieferkette
- Effizienz: Bessere Datennutzung in Fertigung, Service und Entsorgung
- Wettbewerbsfähigkeit: Differenzierung durch glaubwürdige Nachhaltigkeitsinformationen
- Neue Geschäftsmodelle: Rücknahmeprogramme, Re-Manufacturing, Product-as-a-Service
- Frühzeitige Compliance: Reduktion regulatorischer Risiken durch proaktives Handeln
Damit wird der Digitale Produktpass zum Hebel für Prozessoptimierung und Innovationsfähigkeit.
Umsetzung des digitalen Produktpasses: Herausforderungen und erste Schritte
Die Einführung des DPP ist kein Selbstläufer. Für den Mittelstand stellen sich insbesondere Fragen zur Datenerhebung, Systemintegration und Technologieauswahl. Wichtig ist ein pragmatischer Start – etwa mit einem Pilotprodukt sowie einer klaren Analyse vorhandener Daten.
Offene Standards und Schnittstellen sind essenziell, um bestehende ERP-, PLM- oder IoT-Systeme einzubinden. Cloud-Plattformen bieten zudem Skalierbarkeit und reduzieren die Einstiegshürden. Wo intern Ressourcen fehlen, können externe Dienstleister, Brancheninitiativen oder Förderprogramme unterstützen.
Ein strukturierter Projektansatz könnte so aussehen:
- Auswahl eines überschaubaren Produkts als Pilot
- Identifikation bestehender und fehlender Daten
- Definition geeigneter Technologien (z. B. QR-Code, Plattform)
- Integration in bestehende IT-Infrastruktur
- Aufbau interner Prozesse zur Datenpflege
Unternehmen, die bereits mit digitalen Zwillingen oder der Asset Administration Shell arbeiten, haben hier einen klaren Startvorteil.
Blick nach vorn: Der digitale Produktpass als Fundament industrieller Zukunft
Die Regulatorik rund um den digitalen Produktpass wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Die Ecodesign-Verordnung ist erst der Anfang – weitere sektorspezifische Regelwerke, etwa für Batterien oder Elektronik, folgen. Gleichzeitig wächst der Markt für nachhaltige Produkte – und mit ihm die Nachfrage nach verlässlichen Daten.
Der DPP bietet mittelständischen Herstellern die Chance, beides zu bedienen: gesetzliche Vorgaben zu erfüllen und gleichzeitig neue Marktpotenziale zu erschließen. Der digitale Produktpass ist dabei weniger eine Pflicht als ein strategisches Werkzeug – vorausgesetzt, er wird frühzeitig als solches verstanden.
Fazit: Vom Regelwerk zum Wettbewerbsvorteil
Der digitale Produktpass wird kommen – und mit ihm neue Anforderungen an die Industrie. Für den Mittelstand bedeutet das: handeln statt abwarten. Wer den DPP strategisch angeht, kann nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch Prozesse verbessern, Kunden überzeugen und Innovation fördern.
Jetzt zu investieren heißt, zukunftsfähig zu bleiben. Der DPP ist kein bürokratisches Hindernis – sondern ein Schlüssel zur nachhaltigen Wertschöpfung von morgen.