Echtheitsprüfung und Nachverfolgung von Medizinprodukten
Fälschungssicherheit von Medizinprodukten: Anforderungen von Europa bis Australien
Anforderungen rund um den Globus
Weltweit gelten unterschiedliche Vorschriften für die Echtheitsprüfung und Nachverfolgung von Medizinprodukten. Wir haben das genau unter die Lupe genommen und zeigen, welche Anforderungen an die Hersteller rund um den Globus gestellt werden.
Die globale Medizinprodukteindustrie ist einer der am schnellsten wachsenden Sektoren der Wirtschaft. Die Zahl der hergestellten Produkte steigt stetig an und die Anforderungen werden immer strenger, um Hersteller sowie Verbraucherinnen und Verbraucher vor Plagiaten zu schützen. Die daraus resultierende Verordnung für Medizinprodukte bezieht sich auf die Regeln und Richtlinien, die die Herstellung, Vermarktung und Verwendung von Medizinprodukten regeln. Die Vorschriften sollen sicherstellen, dass Medizinprodukte sicher und wirksam sind und die erforderlichen Qualitätsstandards erfüllen. Dafür kommt, anders als bei Arzneimitteln, aktuell keine Produktserialisierung zum Einsatz. Bestimmte Medizinprodukte werden jedoch mit einer UDI (Unique Device Identification) versehen – diese Produkterkennung ist ein einmaliger numerischer oder alphanumerischer Code.
Vorschriften für Medizinprodukte
Weltweit gelten unterschiedliche Vorschriften für Medizinprodukte, doch müssen sie in den meisten Ländern vor dem Verkauf geprüft und zertifiziert werden. Das Prüf- und Zertifizierungsverfahren kann langwierig und teuer sein, ist aber unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Medizinprodukte für die Patienten sicher und wirksam sind.
In der Europäischen Union wird die Regulierung von Medizinprodukten durch die Medizinprodukteverordnung (MDR) geregelt, die am 26. Mai 2021 in Kraft trat. Die MDR ersetzt die frühere Medizinprodukterichtlinie (MDD) und führt strengere Anforderungen für Hersteller von Medizinprodukten ein. Im Rahmen der MDR werden Medizinprodukte je nach Verwendungszweck in vier Risikokategorien eingeteilt, wobei für Produkte mit höherem Risiko umfangreichere Prüfungen und Zertifizierungen erforderlich sind.
In den Vereinigten Staaten wird die Regulierung von Medizinprodukten von der Food and Drug Administration (FDA) beaufsichtigt. Medizinprodukte werden je nach Risikograd in drei Kategorien eingeteilt, wobei sich Geräte der Klasse III (der höchsten Risikokategorie) umfangreichen Tests unterziehen müssen und eine Bewertung erfordern, bevor sie vermarktet werden können.
Erläuterung der verschiedenen Kategorien
Medizinprodukte werden je nach ihrer Zweckbestimmung und dem Grad des Risikos für den Patienten in verschiedene Kategorien eingeteilt. Das Klassifizierungssystem hilft dabei, das angemessene Maß an behördlicher Prüfung und Kontrolle zu bestimmen, welches erforderlich ist, um die Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts zu gewährleisten. Die Klassifizierungssysteme können von Land zu Land unterschiedlich sein, haben aber in der Regel ähnliche Grundsätze. Hier finden Sie einen allgemeinen Überblick über das Klassifizierungssystem:
Medizinprodukte der Klasse I:
Dies sind Produkte mit geringem Risiko, die nicht für invasive Zwecke verwendet werden sollen und im Allgemeinen als Produkte mit dem geringsten Gefährdungspotenzial für Patienten gelten. Beispiele für Medizinprodukte der Klasse I sind Verbände, Stethoskope und Zungenspatel.
Medizinprodukte der Klasse II:
Es handelt sich um Produkte mit mittlerem Risiko, die häufig zu Diagnose- oder Behandlungszwecken eingesetzt werden. Sie können im Vergleich zu Produkten der Klasse I ein stärkeres Risiko aufweisen und ein höheres Maß an behördlicher Kontrolle erfordern. Zu Medizinprodukten der Klasse II zählen beispielsweise elektrische Rollstühle, Operationshandschuhe und Röntgengeräte.
Medizinprodukte der Klasse III:
Dabei handelt es sich um Hochrisikoprodukte, die häufig für lebenserhaltende oder lebensunterstützende Zwecke eingesetzt werden sowie ein erhebliches Krankheits- oder Verletzungsrisiko für Patienten darstellen. Diese Produkte erfordern die umfassendsten Tests und klinischen Bewertungen, bevor sie vermarktet werden können. Dazu zählen u.a. Herzschrittmacher, Herzklappen und implantierbare Defibrillatoren.
Zusätzlich zu diesen Klassen gibt es in einigen Ländern weitere Klassifizierungen, wie z. B. die Klasse IV in Kanada. In dieser Klasse sind Diagnose- und Therapiegeräte mit einem sehr stark erhöhten Risiko für Patienten wiederzufinden. Klassifizierung variieren also von Land zu Land.
Globale Updates
Europa
Die Europäische Datenbank für Medizinprodukte (European Database on Medical Devices, EUDAMED) ist ein von der Europäischen Kommission entwickeltes zentrales System zur Verwaltung von Daten im Zusammenhang mit Medizinprodukten. Es soll die Sicherheit und Leistung von Medizinprodukten gewährleisten, die in der Europäischen Union verkauft werden. Das EUDAMED-System ist in sechs zusammenhängende Module unterteilt:
- Actor Registration
- UDI/Device Registration
- Vigilance & Post-Market Surveillance
- Clinical Investigation & Performance Studies
- Market Surveillance
- Notified Bodies & Certificates
Im Juni 2022 hat die Europäische Kommission einen Zeitplan für die Entwicklung und Einführung des EUDAMED-Systems aufgestellt. Der erste Meilenstein ist für das vierte Quartal 2023 vorgesehen, ab dem Zeitpunkt soll die Entwicklung des MVP (Minimum Viable Product) für alle sechs Module abgeschlossen sein. Das MVP ist eine Version des Systems, welches nur die Mindestanforderungen für die Funktionsfähigkeit erfüllt. Im Anschluss daran soll in Q1-Q2 2024 ein unabhängiges Audit stattfinden. Die Ergebnisse des Audits werden dann der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte (MDCG) vorgelegt. Ist EUDAMED nach dem Audit voll funktionsfähig, wird eine Mitteilung zur Freigabe des Systems veröffentlicht.
Die Nutzung von EUDAMED wird in den kommenden Jahren für verschiedene Anforderungen im Zusammenhang mit Medizinprodukten verpflichtend. Ab dem vierten Quartal 2024, sechs Monate nach der veröffentlichten Mitteilung, wird die Verwendung von EUDAMED im Zusammenhang mit den Modulen Actor Registration, Vigilance & Post-Market Surveillance, Clinical Investigation & Performance Studies sowie Market Surveillance obligatorisch. Die Umstellung auf die obligatorische Verwendung von EUDAMED stellt für die Akteure der Medizinprodukteindustrie eine bedeutende Veränderung dar. Denn das System wird den Informationsaustausch zwischen der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten, den benannten Stellen und den Wirtschaftsakteuren erleichtern.
Im zweiten Quartal 2026, nach Ablauf der 24-monatigen Übergangsfrist, gewinnt EUDAMED noch weiter an Bedeutung für die Medizinprodukteindustrie. Ab diesem Zeitpunkt wird die Verwendung von EUDAMED für die Anforderungen im Zusammenhang mit den Modulen UDI/Device Registration und Notified Bodies & Certificates verbindlich. Dies bedeutet, dass alle Medizinprodukte in EUDAMED mit einer eindeutigen Produktkennnummer (UDI) registriert werden und alle benannten Stellen und Wirtschaftsakteure in dem System registriert sein müssen.
Im Dezember 2022 schlug die Europäische Kommission vor, die Übergangsfrist für die Verordnung über Medizinprodukte (MDR) zu verlängern, und begründete dies mit den Schwierigkeiten der Hersteller bei der Einhaltung der Verordnung aufgrund der COVID-19-Pandemie. Die vorgeschlagenen Daten für die verlängerte Übergangsfrist laufen bis 2026 für implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III, 2027 für Produkte der Klasse IIb und der Klasse III und 2028 für Produkte der Klasse IIa und der Klasse I.
Die Europäische Kommission hat diese Änderungen am 6. Januar angenommen. Sie liegen nun dem Europäischen Parlament und Rat zur Abstimmung vor. Wenn sie angenommen werden, wird die verlängerte Übergangsfrist den Herstellern zusätzliche Zeit verschaffen, um die Anforderungen der MDR zu erfüllen und um gleichzeitig sicherzustellen, dass die Patientinnen und Patienten Zugang zu sicheren und wirksamen Medizinprodukten haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verwendung von EUDAMED in den kommenden Jahren für verschiedene Verpflichtungen und Anforderungen im Zusammenhang mit Medizinprodukten obligatorisch sein wird. Die Umstellung auf die obligatorische Verwendung von EUDAMED stellt eine bedeutende Veränderung für die Medizinprodukteindustrie dar und erfordert von allen Beteiligten eine Anpassung und Einhaltung der neuen Anforderungen. Die vorgeschlagene Verlängerung des Übergangszeitraums für die MDR verschafft den Herstellern zusätzliche Zeit, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Schweiz
Das aktuelle Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) wurde nicht aktualisiert. Infolgedessen ist Swissmedic für die direkte Registrierung von Wirtschaftsakteuren (CHRN) und Medizinprodukten, einschließlich In-vitro-Diagnostika, zuständig.
Im April 2022 hat Swissmedic mit der Implementierung der Datenbank "swissdamed" begonnen. Die Datenbank wird voraussichtlich im Jahr 2023 in Betrieb genommen, jedoch kann sich das Einführungsdatum verschieben, da sie nach dem Vorbild von EUDAMED aufgebaut wird. Die Datenbank besteht aus zwei miteinander verknüpften Modulen: Economic Operators und UDI/Device Registration.
Für die swissdamed-Datenbank sind drei Releases geplant. Das erste Release wird das Modul Economic Operators (Wirtschaftsbeteiligte) enthalten, während das zweite Release das Modul UDI/Device Registration umfasst. Für die Pilotierung dieses Moduls ist ein Austausch mit der Industrie geplant. Das dritte und letzte Release wird Funktionen und Korrekturen der Priorität 3 enthalten.
Australien
In Australien ist die Therapeutic Goods Administration (TGA) die zuständige Regierungsbehörde für die Regulierung von Medizinprodukten. Die AusUDID-Testumgebung wurde am 4. Juli für den Pilotprozess in Übereinstimmung mit den IMDRF-Leitlinien gestartet. Diese Initiative stand allen Herstellern oder Produktsponsoren offen, die bereit waren, der TGA Feedback zu geben, um ihre endgültigen Anforderungen zu präzisieren. Das Pilotprojekt lief bis Dezember 2022.
Die TGA arbeitet derzeit an der endgültigen Fassung der Verordnung und wird sie voraussichtlich sehr zeitnah veröffentlichen. Der Zeitrahmen für die Einhaltung der Verordnung muss jedoch noch bestätigt werden. Die freiwillige Einhaltung der Verordnung sollte im Januar 2023 beginnen, die obligatorische Einhaltung wird bis Juli 2027 erforderlich sein.
Effizienz und Effektivität der MDR
Insgesamt trägt die MDR dazu bei, das Vertrauen in medizinische Geräte und Instrumente zu stärken und damit das Wohlbefinden der Patient:innen zu verbessern. Die Forderung nach einer eindeutigen Identifikation von Produkten der Klasse III bedeutet einen hohen bürokratischen Aufwand für die Hersteller. Somit könnte dies zu höheren Kosten führen, die möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt auf den Endverbraucher abgewälzt werden können oder gar müssen.
Ein weiterer Kritikpunkt könnte sein, dass dadurch weniger innovative Produkte auf den Markt kommen. Da die Hersteller gegebenenfalls auf die Verwendung von Standardkomponenten setzen, um die Identifikation zu vereinfachen und die Kosten zu senken. Dies könnte die Entwicklung neuer und innovativer medizinischer Geräte behindern und somit den Fortschritt in der Medizintechnik enorm bremsen.
Letztendlich hängt die Wirksamkeit einer eindeutigen Identifikation von Produkten der Klasse III von einer sorgfältigen Abwägung der Kosten und Vorteile sowie der Umsetzbarkeit und Wirksamkeit ab. Es ist wichtig, dass Entscheidungen auf der Grundlage fundierter Daten und Analysen getroffen werden, um sicherzustellen, dass die Patientensicherheit weiterhin gewährleistet bleibt, während gleichzeitig die Entwicklung neuer und innovativer medizinischer Geräte gefördert wird.
Einen Anhaltspunkt könnte die Einführung der FMD geben, wo die Vorteile der Serialisierung auf Einzelstückebene nach nun mehr als 4 Jahren nach der Einführung überwiegen. Mehr dazu erfahren Sie hier.
Hinweis
Arvato Systems und die Autorin können nicht für die Richtigkeit der gegebenen Informationen garantieren, da sich Vorschriften und Fristen täglich ändern. In Zweifelsfällen zögern Sie bitte nicht, sich direkt mit dem Team in Verbindung zu setzen.