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So erhöhen grundzuständige Messstellenbetreiber ihre Wirtschaftlichkeit durch Automatisierung

Warum es sich lohnt, einen mutigen und innovativen Weg einzuschlagen

Mehr Wirtschaftlichkeit für gMSBs
28.07.2022
Energie- & Versorgungswirtschaft
Innovation
Digitale Transformation

Auch wenn das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Allgemeinverfügung für den Smart-Meter-Rollout zurückgezogen hat, gehen die Akteure der Energiebranche von einer baldigen Neufassung und somit dem Fortgang des Rollouts intelligenter Messsysteme (iMSys) aus, der die Grundlage für den Wandel hin zu einer digitalen Energiewirtschaft bildet. Dies wird ebenfalls durch die Tatsache deutlich, dass der Großteil der berechtigten Unternehmen die Marktrolle des grundzuständigen Messstellenbetreibers (gMSB) weiterhin wahrnehmen möchten. 


Hier gilt es nun, einen Weg zu finden, den Betriebsstatus mit einer immer größeren Zahl an intelligenten Messsystemen (iMSys) zuverlässig und kostengünstig zu überwachen. Denn eines der größten Probleme als gMSB ist, wirtschaftlich zu agieren.

Eine höhere Wirtschaftlichkeit durch Automatisierung

Um seine eigene Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, hat sich die Westfalen Weser Netz GmbH (WWN), ein bedeutender kommunaler Netzbetreiber in der Region Ostwestfalen-Lippe, im Weserbergland und im nördlichen Sauerland, dazu entschieden, die iMSys-Störbearbeitung zu automatisieren. Hierzu kommt das sogenannte MAS-System („Messen – Analysieren – Steuern“) der iceBaum GmbH, eines auf die Energiewirtschaft spezialisierten Softwareunternehmens der HORIZONTE-Group AG, zum Einsatz.


Das MAS-System ist eine zentrale, cloud-basierte Datenplattform, die in enger Zusammenarbeit zwischen WWN, iceBaum und weiteren Partnern entwickelt wurde bzw. wird. Alle relevanten Daten aus den am iMSys-Prozess beteiligten Systeme laufen in der Software zusammen. Dazu gehören:


  • Störungsmeldungen
  • Asset-Stammdaten
  • ERP-Prozessdaten

Dieser bisher einzigartige Lösungsansatz gilt im Bereich der Störungsbearbeitung als richtungsweisend.


Eine zentrale Funktion der Software ist die integrierte Workflow-Engine, mit deren Hilfe WWN festlegen kann, welche automatisierten Maßnahmen in bestimmten Störsituationen durchzuführen sind. Dabei reagiert das MAS-System selbstständig auf unterschiedliche Ereignisse, wie etwa


  • bestimmte Stichwörter in Tickets und E-Mails,
  • Statusänderungen von Tickets und
  • Erreichen definierter Fristen und Zeitstempel.


Für die bei WWN am häufigsten auftretenden Störfälle im Bereich der intelligenten Messsysteme ist dieses Feature bereits produktiv im Einsatz.

Wie funktioniert die Automatisierung?

Um den Prozess der Automatisierung zu verdeutlichen, stellen wir uns folgendes Beispiel vor: Bei der Inbetriebnahme eines iMSys liegt ursächlich eine instabile Kommunikationsverbindung vor, sodass der Inbetriebnahmeprozess auf einen Fehler läuft. Daraufhin startet die Störungsmeldung und -bearbeitung:

1. Scheitern-Meldung des Gateway-Administrations-Systems (GWA)

Da das iMSys nicht erreichbar ist, meldet das GWA-System ein Scheitern der via Inbetriebnahmeprozess beauftragten Gateway-Administration.

2. Aussteuerung des ERP-Prozesses

Aufgrund der negativen Rückmeldung des GWA-Systems läuft der Inbetriebnahmeprozess im ERP-System auf einen Fehler und pausiert.

3. Echtzeitmeldung der Störung

Hierdurch wird automatisiert und in Echtzeit eine Störmeldung vom ERP-System an das MAS-System verschickt.

4. Ticketerstellung

Mit Eingang der Störmeldung erstellt das MAS-System ein neues Ticket und synchronisiert dieses mit dem GWA-Ticketsystem.

5. Prüfung durch GWA

Nun prüft der Gateway-Administrator (GWA) den Zustand sowie die Fehlermeldungen des betroffenen Smart-Meter-Gateways (SMGw) und vermerkt das Ergebnis im Ticket.

6. Zusätzliche Prüfung der Kommunikationsverbindung

Nach entsprechender Rückmeldung des GWA setzt das MAS-System automatisch einen Prüfauftrag der Netzwerkverbindung des betroffenen Geräts ab und verarbeitet die zugehörige Rückmeldung.

7. Benachrichtigung der WWN-Sachbearbeitenden

Ist die Rückmeldung eingegangen, erhalten die WWN-Sachbearbeitenden automatisch eine Benachrichtigungsmail. So können sie die Situation inklusive der bisher zusammengetragenen Informationen fachlich beurteilen.

Bearbeitung durch die Sachbearbeitenden

Nach Beurteilung der Situation müssen die Sachbearbeitenden im Standardfall dann nur noch über das weitere Vorgehen entscheiden. Sie können zum Beispiel selbstständig einen Entstörauftrag anlegen oder den fehlgeschlagenen Inbetriebnahmeprozess im ERP-System erneut anstoßen. In beiden Fällen geschieht dies unmittelbar aus dem MAS-System heraus.

Erste Erfolge durch das MAS-System

Für Lukas Pack, der als WWN-seitiger Projektleiter die Einführung und Weiterentwicklung des MAS-Systems verantwortet hat, steht fest: „Mithilfe des MAS-Systems konnten wir bis heute die Aufwände zur Störungsbearbeitung im iMSys-Bereich deutlich reduzieren und somit einen Beitrag zur Erhöhung unserer Wirtschaftlichkeit als MSB leisten. Wir gehen davon aus, dass wir die bereits jetzt realisierte Aufwandseinsparung von etwa einem Drittel – bezogen auf die Gesamtheit der zu bearbeitenden Störungen – in absehbarer Zeit auf 50 Prozent und langfristig sogar auf bis zu 75 Prozent erhöhen können. Grundlage beziehungsweise Prämisse dieser Prognose ist unsere Einschätzung, dass Standard-Störfälle, die sich mithilfe der Software weitgehend automatisiert lösen lassen, bei steigender Rolloutkurve einen immer größeren Anteil an der Gesamtheit der Störungen ausmachen werden.“


Somit ergeben sich insgesamt zwei große Vorteile für die WWN: 

  1. Für die manuelle Störungsbehebung der ca. 90.000 auf iMSys umzurüstenden Anlagen waren ursprünglich vier Mitarbeitende vorgesehen. Mit der Software ist durch die prognostizierte Aufwandseinsparung hingegen voraussichtlich. nur eine Mitarbeiterkapazität dafür notwendig.
  2. Durch die Schnittstelle zum ERP-System lassen sich Prozesse selbstständig von WWN bereinigen, was gegenüber der bisherigen manuellen Bereinigung inkl. zugehöriger Rechnungsstellung durch den ERP-Dienstleister. zu einer 90-prozentigen Kostenersparnis in diesem Bereich führt.

Der Blick in die Zukunft

Bashkim Malushaj, Geschäftsführer der iceBaum GmbH und Partner der HORIZONTE-Group, sieht noch weiter in die Zukunft: „Der Funktionsumfang des iMSys wird sich im Rahmen des BSI-Stufenmodells ohne Zweifel weiterentwickeln. So nimmt das iMSys eine immer größere Bedeutung für den Kunden an. Er reagiert zunehmend sensibler auf eventuelle Störungen und erwartet vom Messstellenbetreiber völlig zurecht, dass er sie unverzüglich behebt. Weil sich die Voraussetzungen ähneln, ist es sinnvoll, in Richtung Telekommunikationsbranche und der Behebung von Internetstörungen zu schauen. Das gibt einen guten ersten Eindruck davon, was dem MSB noch bevorsteht. Studien aus diesem Bereich zeigen, dass rund die Hälfte aller Kunden in einem Zyklus von 24 Monaten Störungen ihres Internetanschlusses erlebt. Eine fehlende Internetverbindung ist mittlerweile eine erhebliche Alltagseinschränkung, weshalb Verbraucher eine umgehende Behebung erwarten. Der Vergleich zeigt deutlich, wie wichtig digitalisierte und automatisierte MSB-Prozessketten sind. Aus diesem Grund sollten sie möglichst frühzeitig zum Einsatz kommen und immer weiter verbessert werden. So lässt sich ein beträchtlicher Personalaufbau vermeiden.“

Die Entwicklung der beschriebenen Lösung ist noch nicht am Ende

Vor diesem Hintergrund betrachten die Fachexpert:innen von iceBaum, Arvato Systems und deren Partner die Entwicklung des MAS-Systems als noch lange nicht abgeschlossen. Vielmehr sind bereits konkrete Optimierungen in Planung:


  1. Die Workflow-Engine soll durch zusätzliche Typen von Triggern und Aktionen erweitert werden, um das Automationspotenzial weiter auszubauen.
  2. Die Rolle des MAS-Systems als zentrale Datenplattform soll gestärkt werden, indem weitere Daten ausgewertet und Störungen somit früher erkannt werden können.
  3. Verschiedene Microsoft-Services sollen stärker integriert werden, um die Störquoten durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz noch weiter zu senken.
  4. Abschließend soll eine Schnittstelle entwickelt werden, über die auch Kunden web- bzw. browserbasiert Fehler melden können, um die iMSys-Gesamtsituation hinsichtlich bestehender Störungen noch realitätsgetreuer im System abbilden zu können.


Zudem soll das MAS-System zukünftig im Rahmen von Pilotprojekten in die Arvato Energy Platform integriert werden und stellt somit auch eine ideale Ergänzung für die myBusiness smartEnergy Lösung von Arvato Systems dar.

Mut zur Innovation für eine bessere Wirtschaftlichkeit

Um ihre eigene Wirtschaftlichkeit zu erhöhen, sind gMSBs gut beraten, ihre Kostenstruktur intensiv zu prüfen. Zudem braucht es Mut, innovative Wege zu gehen. Das MAS-System zeigt eindrucksvoll, wohin dieser Weg führen könnte.

Häufig gestellte Fragen

  • Was ist ein intelligentes Messsystem?

    Ein intelligentes Messsystem (iMSys) besteht aus einem neuen digitalen Stromzähler und einem Kommunikationsmodul, dem Smart Meter Gateway. Damit kann das iMSys die digitalen Messwerte sicher und verschlüsselt zum Energielieferanten übertragen.

  • Was ist ein Smart Meter Gateway?

    Ein Smart Meter Gateway (SMGW) ist die zentrale Kommunikationseinheit eines intelligenten Messsystems, welches nach den Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) arbeitet. Das Smart Meter Gateway ist für die sichere und verschlüsselte Datenübertragung im intelligenten Messsystem zuständig.

  • Was ist eine moderne Messeinrichtung?

    Eine moderne Messeinrichtung (mME) ist ein digitaler Zähler mit in der Regel einem mehrzeiligen Display. Eine moderne Messeinrichtung misst den Stromverbrauch und zeigt den aktuellen Zählerstand im Display an. Diese speichert die Zählerstände tagesgenau rollierend über 24 Monate.

  • Wer oder was ist der Gateway-Administrator?

    Der Gateway-Administrator (GWA) ist entweder der Messstellenbetreiber (grundzuständig oder wettbewerblich) oder ein Unternehmen, das vom Messstellenbetreiber beauftragt wurde. Er ist für den sicheren technischen Betrieb intelligenter Messsysteme verantwortlich.

  • Was ist ein GWA-System?

    Mithilfe eines GWA-Systems verwaltet, konfiguriert und überwacht der Gateway-Administrator die digitalen bzw. intelligente Messsysteme.

  • Wer oder was ist der Messstellenbetreiber?

    Der Messstellenbetreiber (MSB) ist ein Unternehmen, das Messstellen für Strom und Gas installiert und diese betreibt. Der Punkt zwischen Netz und Kundenanlage an dem der Gas- und Stromverbrauch gemessen wird, wird als Messstelle bezeichnet.

  • Wer und was ist der grundzuständige Messstellenbetreiber?

    Der grundzuständige Messstellenbetreiber (gMSB) installiert und betreibt Messstellen. Soweit sich ein Verbraucher nicht gezielt für ein anderes Unternehmen als Messstellenbetreiber entschieden hat, ist in der Regel der örtliche Netzbetreiber auch gleichzeitig der (grundzuständige) Messstellenbetreiber. Wenn ein Kunde oder der Anschlussnehmer ein anderweitige Vereinbarung getroffen hat, wird die entsprechende Messstelle von einem wettbewerblichen Messstellenbetreiber betreut.

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Verfasst von

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Bernhard Ern
Experte für Energie- und Versorgungswirtschaft